Selbstsein in Vollkommenheit - Gott ist, was er ist

Thomas von Aquin behält die Orientierung an Sätzen über Gott bei, und sucht, hier in seiner Summe gegen die Heiden wiedergegeben, die Unabtrennbarkeit von Sein und Wesen durch eine schlichte Erklärung, es sei "in" Gott dasselbe, im Denken des Glaubens (für dessen Rechtfertigung) zu halten.

„daß in Gott Sein und Wesen dasselbe sind“

Gottes ›was er ist‹ sei identisch mit seinem ›dass er ist‹ - 

Deus est sua essentia, quidditas seu natura. [cap 22]

Nec hoc debet movere, quod in Deo idem est essentia et esse, ut prima ratio proponebat. Nam hoc intelligitur de esse quo Deus in seipso subsistit, quod nobis quale sit ignotum est, sicut eius essentia. Non autem intelligitur de esse quod significat compositionem intellectus. Sic enim esse Deum sub demonstratione cadit, dum ex rationibus demonstrativis mens nostra inducitur huiusmodi propositionem de Deo formare qua exprimat Deum esse. (Contra Gentiles, lib. 1 cap. 12 n. 7)

„Auf dem Wege der Vernunft kann man nicht dahin vordringen, dass man weiß, was Gott ist.“

Item. Si principium ad demonstrandum an est, secundum artem philosophi, oportet accipere quid significet nomen; ratio vero significata per nomen est definitio, secundum philosophum, in IV Metaph.; nulla remanebit via ad demonstrandum Deum esse, remota divinae essentiae vel quidditatis cognitione. (lib. 1 cap. 12 n. 4)

Das Sein - als Ursache alles Seienden - sei aber der Vernunft in ihren Erschließungen zugänglich.

Thomas sucht in seinen Gottesbeweisen aufzuzeigen, dass der menschliche Vertand durch Vernunftschlüsse (über den sog.  physikotheologischen Beweis im Regress auf eine erste Ursache) beweisen könne, „daß Gott ist“, indem er Gott mit der als notwendig anzunehmenden Erstursache identifiziert. Diese für den Vernunftbeweis vorausgesetzte Unterscheidung in der Erschließung von Sein (als Daßsein) von der auf Glaubensgedächtnis angewiesenem Wesensannahme sollen aber keine Widerlegung der Annahme der Unabtrennbarkeit von Sein und Wesen „in Gott“, wie er formuliert, zur Folge haben.

Doch bleibt die gesamte Anlage durch Selbstwiderstreite gefährdet, die durch Verstandesmittel nicht zu beheben sind. 

Einerseits sei  Gott in einem Sein zu erkennen, darin er für die Welt und uns Ursache ist; es fällt schwer, dieses Ursache sein (als Schöpfer) nicht zu seinem Wesen zu rechnen. Trennt man es vom Wesen, dann ist das mit dem Wesen identische Sein für getrennt zu denken vom Schöpfersein für die Welt, ohne deren Existenz wir nicht wären und gar nichts könnten, schon gar nicht Gottes Sein denken. Das uns vollkommen Unbekanntsein des "in sich Seins" Gottes, das sein Wesen sei, verdankt sich aber der Abtrennung und einem Gedanken an ein in sich abgeschlossenes "Für sich Sein", das streng genommen gar keinen Gedanken an ihn gewährt, also gar nicht in Identität oder durch die Identifizierung von Sein und Wesen gedacht worden sein könnte, um es gegen das Kennenkönnen durch den Intellekt zu setzen.

Um überhaupt ein Selbstsein des Wesens Gottes als Grenze anerkennen zu können, braucht es die für die selbstkritische Begrenzung des Verstandesvermögens maßgeblich werdenden, sich nicht selbst widerstreitend nur zu denkenden Begriff des „Selbstseins von Gott“.

Wie dies Notwendige möglich ist, zeigen wir in den folgenden Kapiteln vom Proslogion und Monologion des Anselm von Canterbury her. Ein lange vor Thomas ausgezeichneter Lösungsweg zeigt Kapitel 5 des Proslogion an:

Die die Unabtrennbarkeit von Sein und Wesen wahrende Einheit in der Argumentbildung des Proslogion muß das Unlösbarkeit dieses Zusammenhangs von Widerlegung und Maßannahme achten und ihm eine Gestalt in der mitzuvollziehenden Struktur einer einsichtsbildenden Glaubensvernunft geben.

Das quo maius cogitari non possit und das melius esse quam non esse gehen im Proslogion eine (von P 5 her zu erschließende) Argumentverbindung ein, in der keine Formulierung die andere ersetzen, ohne deren Mitvollzug es aber auch keine Einheit im reflektierten Gottesgedanken geben kann. Daß zum Grundsein Gottes das Maßgeben für die Entsprungenen gehört, und so das sich Verdankenkönnen ermöglicht, ist dem Charakter des Grundes als ursprünglicher geschuldet, der auch für die Dinge als geschaffene nie nur Grund des Daßseins sondern immer und zugleich deren Wasseins im Wie des Daseinkönnens ist.

Das melius esse quam non esse verweist auf und stellt dar die Annahme eines Wesensmaßes (der Gutheit), die in einem Vergleich (des Besser es selbst als nicht es selbst Seins) beurteilungsentscheidend für das Annehmen und Wahren und Achten gebraucht werden.

Die quo maius cogitari non possit Bestimmung des Proslogioin hält ausdrücklich mit dem Vergleich zum Denkvermögen dessen Bedingung als nicht wegzudenken in Geltung, wahrt also in der Grenze die Selbstachtung des geschöpflich ermöglichten Vermögens: das „Sein“ dessen, von dem nicht denkbar ist, es sei nicht, ist ursprungsverbunden mit dem Denken des Seins in einer Begrenzung von Wissensintentionen, mit deren Annahme es sich der Entsprechung der Wesenheiten des Guten, Wahren, Gerechten in Weisheit anmisst.


 

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