Anmerkungen zu Claus Westermann, Genesis, Neuenkirchn-Vlyn, 1974


1.

Claus Westermann weist in seinem Kommentar zu Genesis 1 mehrfach auf die Struktur von Schöpfungserzählungen – vor allem des Enuma Elish – hin, die mit einem „als noch nicht war“ einsetzen. (vgl. auch oben Schöpfungsmythen)

Er schreibt diesem Einsatz die Funktion zu, Schöpfung als einen in einer Zeit geschehenden Vorgang erzählbar zu machen, bedeutet sie damit aber eigentlich als vor aller Zeitabfolge zu denkendes Ereignis eines in sich abgeschlossen gültigen Werks. (S. 130)

2.

Zur vieldiskutierten Frage der grammatischen Stellung des V 1 resümiert er einleuchtend: „Dieser Satz – Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. - ist dann nicht eigentlich Anfang des Schöpfungsberichts, sondern eine die Erzählung in einen einzigen Satz fassende Überschrift.“ Mit ihr ist Gott als „Schöpfer des Himmels und der Erde“ genannt, als ein umfassende Gottesprädikation.  (S. 131)

Da aber V 2 mit einem „Die Erde aber war ...“ anschließt, setzt die Bezugnahme auf die Erde die Vollendung des Werks gedanklich voraus, charakterisiert sie in defizienter Form des Seins als Erde gegenüber ihrem durch die Schöpfung gegründeten Bestand, der nur gegenüber dieser Schrecknis von Verwüstung, in der sie als Erde nicht sein und keine Frucht und so auch die menschen nicht tragen kann, in Entsprechung ihrer Bestimmung begründet werden kann.

3.

Westermann weist die Bedeutung Worte – wüst und öde – , durch die die einer rettenden Begründung ihres Selbststandes bedürftigen Erde in einer verderbenbringenden Lage geschildert wird, als das aus, was sie für den Menschen und das Menschseinkönnen (S. 145) auf der Erde bedeuten. Öde  meint die pfadlose Öde, in der man sich verirrt. Darum ist Bubers Übersetzung: sie war "Irrsal und Wirrsal", bedeutungsgenau möglich. „In Jes 45 spricht der Schöpfer: „nicht zur Öde habe ich sie geschaffen.“ (S. 142) Was durch sie bezeichnet wird, ist der Schöpfung ausdrücklich entgegengesetzt, und vielmehr, das Schöpfungswerk setzt sich ausdrücklich der weglosen und desorientierend verwüsteten Ödnis entgegen und überwindet, was sie für die Erde – und das Leben und die Menschen an Grauenvollem bedeutet.

Wogegen sich das Schöpfungswerk in seiner Gründung wendet, ist ein Existenzbedrohnendes nicht selbst Seinkönnen, als das der Erzähler von Genesis 1 das Noch nicht Sein der ihm bekannten Schöpfungsmythen deutet, es als ein nicht sein Können mit all dem Schrecken zu vernehmen gibt, der sich dem auf ein gegründetes Seinkönnen angewiesenen Bewußtsein auftut.

„Klang und Bedeutung dieses Wortpaares ist grausig.“ zitiert Westermann S. 144 FDelitzch. Die Urflut erinnert an die zerstörende Flut vor dem Noah-Bund und des Exodus. Evoziert wird eine „auf die Existenz bezogene Nichtigkeit“ (S. 143) Verwüstung macht sich für den geltend, dem sie widerfährt, und schließt so auch Vernichtung mit ihrer Widerfahrnis von Scheitern im Verlust von Grund und Stand ein.

Das schöpferische Werk, das dem es aufrufenden Wort im Machen als einem bestimmungsentsprechenden Gründen folgt, stellt durch diese Unmittelbarkeit den Gegensatz zum Vergeblichen und Nichtenden von Existenz und ihrem noch- nicht oder nicht-mehr Sein dar.

Statt eines bestehenden Zustands, ist das Grauenhafte und Abgründige nur widerstreitvoll und darum nur in es überwindendem Gedenken bedeutbar: als „Existenz einer Nicht-Existenz“ (S. 143). Westermann zieht vergleichbare Ausdrucksweisen im Altnordischen heran: „gimminga gap, Gaffen der Gähnung,“ (S. 144) der gähnend verschlingende Abgrund. Es könnte auch an den Er-Mythos erinnert werden, der einen  Abgrund ins Jenseitsbild rückt, der die ihm zu entkommen Hoffenden wieder herabzieht und verschlingt.

4.

Das Ungeschiedene macht Bewußtsein und Urteilskraft, macht Begriff und Erkenntnis unmöglich. Oder vielleicht besser: Im Ungeschiedenen können Bewußtsein und Urteilskraft, können Begriff und Erkenntnis sich unmöglich bilden.

Darum gehört das Scheiden und Trennen zum Werk der rettenden Schöpfung. Das griechische Wort ktizo, das die Bedeutung des Hebräischen im Griechischen wiedergibt, gehört dem Bedeutungsbereich von „machen“ und  „gründen“ zu. Die Septuaginta gebraucht hierfür von vornherein in Gn 1 nur poiein. ktizo „heißt ursprünglich ein Land anbauen und bewohnbar machen.“ (S. 139)

5.

„Die erste Schöpfung Gottes ist das Licht“ (S. 155) Durch sie und ihre Scheidung von der alles Licht verschlingenden, alle Unterscheidbarkeit vernichtenden Finsternis, wird das gesamt Schöpfungswerk erst ermöglicht. Westermann gebraucht hier ausdrücklich den Ausdruck: Ermöglichung, den wir für das Grundlegende des Ursprungs bevorzugt gegenüber allen Vorstellungen von Verursachung oder technik-analogen Hervorbringungen gebrauchen.

„Durch die Erschaffung des Lichtes am Anfang wird die Gesamtdarstellung der Schöpfung in der Tagefolge erst möglich. Insofern sehen die Ausleger richtig, die in V 3 – 5 mehr die Ermöglichung der Schöpfung als ein einzelnes Werk sehen.“

„Die Erschaffung des Lichts ist diesen Scheidungen [von der Finsternis und von Tag und Nacht] vorangestellt als Ermöglichung der zeitlichen Ordnung, in die hinein oder ziu der nach P die Welt geschaffen wird. Gott erschafft das Hellsein und damit die Ermöglichung des grundlegenden Zeitrhythmus, die Ermöglichung der Ordnung.“ (S. 155)

Schöpfung ist im Werk aus Entsprechung zum Wort Grundlegung als Ermöglichung des Seinkönnens in Raum und Bestand, in Orientierung und Zeit.

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