Kritik der Bestimmung des Seins Gottes als Erstursache
Thomas nimmt in seiner als Fundamentaltheologie angelegten, in Rechtfertigung und Widelegung verfahrenden Schrift Summa contra Gentiles die Identität von Sein und Wesen Gottes an, dessen Selbstsein er einerseits als unbekannt setzt, andererseits dessen Sein durch Seinsweisen in Begriffen einer ersten Ursache von erfahrbarerer Bewegung in der Welt bestimmt behauptet, die eine dem Schöpfersein wesentliche Verhältnisbestimmung zur Welt und zum Menschen als das ein Ursache Sein und zwar als erste in einer Reihe von Ursachen und Wirkungen annimmt und eine Seinsweise Gottes zur Welt im Vergleich zu anderen Formen des Ursache und Erwirktseins ihm zuspricht. Der Beweis verfährt dann von der Erfahrung von bewegt werdenden Erscheinungen und Veränderungen in der Welt her, deren Erstursache er dann Gott nennen zu glauben vermeint.
Diese Bestimmung des Gottesbegriffs und sein Argument, verfangen sich in einer doppelten Schwierigkeit:
1. Die Seinsweise als erste Ursache kann mit dem Sein Gottes nicht schlechthin identisch sein, wenn er als Schöpfer nicht nur Ursache von Bewegung ist, sondern schöpferisch als Sein per se allem anderen ein Sein per alliud ermöglicht, denn darin muß die Schöpfungsgabe auf das Wassein (das jeweilige Wesen) es erzeugend, bezogen sein und dieses Geben kann nicht die Seinsweise der Verursachung von Bewegung sein. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Gottes schöpferische Kraft nicht allein als die einer Verursachung von Bewegung zu denken (die die Existenz von Bewegbarem schon voraussetzt), sondern ein auf das Wassein im erkennbaren Etwasseinkönnen hin sich ausrichtenden Gründen und Bestimmen, das als von der Ursache sich wesentlich unterscheidendes Vermögen zu einer anderen Wesenheit in Bestimmung der Seinsweise im Selbstsein Gottes nötigt.
Von ihren eigenen Voraussetzungen her könnte die Theologie gar nicht anderes, als die Unabtrennbarkeit von Sein und Wesen für das Selbstsein Gottes im Verhältnis zur Welt und der denkenden Seele in Geltung zu halten.
Ein Selbstsein eines im Übrigen auch die Trinität zerstörenden für sich in Absolutheit zu sein gedachten Gottes, unabhängig von Welt und Entsprechung (im Gottesvolk) kann weder durch die Identität der darauf gar nicht anwendbaren Unterscheidung von Wesen und Sein, noch sonst ein Bild,einen Begriff oder Gedanken gehalten werden.
Um das angenommene Selbstsein Gottes annehmen zu können, muß das Annehmenkönnen als durch Gott selbst gewährt und ermöglicht, also in der Figur eines ursprünglichen sich zu erkennen Gebens, durch das sich ein Logos für Begriff und Bewußtsein von Gott ergibt. Die Theologie des Johannesprologs sucht dem eine angemessene Form der Sprache und des Denkens von Gott her und auf ihn hin zu verleihen.
Thomas hätte eigentlich das selbe Problem zu verhandeln, vor das sich Anselm schon vom Monologion her gestellt sieht, und das als das der Einheit der Vielheit des nicht Zusammengesetztseins des Seins als Wesen Gottes eben nicht durch die Wiederholung der Identität von Sein als Wesen zu denken und als glaubhaft anzunehmen lösen kann (P 18).
Solange Thomas widerlegend verfährt und lediglich aufzuweisen sucht, dass Gott nichts Zusammengesetzes ist, könnte die Einheit der verschiedenen Bestimmungen des Selbstseins Gottes unausgeführt bleiben und in die Unbekanntheit zurückverwiesen werden, würde dies nicht durch eine Fehldeutung des eigenen Vertandesverhaltens getragen, als wären alle Unterscheidungen im Gottesverhältnis durch unser diskursives Verstandesdenken „verursacht“, dem die absolute Identität in Einfachheit verschlossen bliebe, obwohl sie als maßgebende Grenze ja gebraucht wird.
Thomas greift hier unwillkürlich zu einer Haltung, die Anselm im Proslogion als verfehlte Selbstmacht der Verstandesfunktionen im Urteil gegenüber dem Insipiens erkennbar hat werden lassen, und so erst Gottes ursprüngliches Sein als für das Vermögen der rechten Beurteilung aus der schöpferischen Ermöglichung von Vermögen der geistiger Orientierung als Personen unter der Inanspruchnahme von Angemessenheit annehmen lassen konnte.
Denn das scheinbar nur opake Selbtsein ist auch bei Thomas des Maß für die Grenze, das aber unbestimmbar bleiben soll, tatsächlich aber in den Bestimmungen der Seinsweisen als erste selbst unbewegt bewegende Ursache und als actus purus in Anspruch genommen wird.
2. Zum Seinsbeweis
Thomas formuliert sein Beweisziel durch die angestrebte Bildung eines Aussagesatzes:
»Das Sein Gottes ist nämlich beweisbar in dem Sinne, daß unser Geist durch Beweisgründe dazu geführt wird, einen Satz über Gott zu bilden, durch den zum Ausdruck kommt, daß Gott ist.«
Bewiesen und so für uns erschlossen, werde nicht das Selbstsein Gottes, »wodurch er in sich subsistiert (und was uns unbekannt ist)«,sondern um ein Sein, »das durch die Verbindung des Verstandes bedeutet ist. In diesem Sinne kommt das Sein Gottes in den Beweisen vor, während unser Verstand von Argumenten dahin geführt wird, eine solche Aussage über Gott zu bilden, die zum Ausdruck bringt, daß Gott ist.«
Es erfolgt daber die Erschließung einer Annahme eines unbewegt Bewegenden als erste Ursache, die dann mit Gott identifiziert wird, aus dem Bedürfnis der nach Ursachen als Bedingungen von gegebenen Wirkungen fragenden Vernunft, die zu keiner Ruhe kommt, bis sie nicht die Reihe der zurück erfragbaren Gründe zu einem Abschluß gekommen ist. Der Vernunftschluss auf eine notwendig anzunehmende erste unbedingte Bedingung, deren Regress Thomas mit Aristoteles von den Bewegursachen her konstruiert, verdankt sich allein der Einheitsbedingung des Vernunftvermögens in diesen am Verstandesgebrauch der Kategorie der Kausalität orientierten Verfahrens, das empirisch unabschließbar zu einem Anfang als Abschluß von Erschließungsbewegungen führt, der nur umwillen der Einheit der so verfahrenden Rationalität (der Vertandesvernunft) gesetzt werden kann.
Kant zeigt dann in der Dialektik der reinen Vernunft, dass die Annahme eines Anfangs einer Reihe von Ursachen in der Welt der Erscheinungen zu einer Antinomie führt, weil mit ebenso zwingend scheinenden Mitteln der Vernunftschlüsse das Gegenteil beweisen werden kann, dass die Reihe von Erscheinungen in der Welt, die in ihrem Bewegungsverhalten als durch Ursache-Wirkungsverhältnisse bestimmt begriffen werden können, keinen Anfang haben kann. - und umgekehrt.
Die Vernunft erkennt sich als beständig hin und her geworfen, einen Anfang oder keinen Anfang der Weltreihe anzunehmen und sieht sich so genötigt, zu begreifen, was sie zu diesem Mißstand geführt hat und wo die Verfehlung in der Ausrichtung des Gebrauchs von Vernunft- und Urteilsvermögen zum rechten Maß liegen. (→ gegeben – aufgegeben: Vernunft an sich praktisch: Verfehlung für die thomistische Theologie: theoretischer Zugriff in der Denkform von Gott als Gegenstand: tatsächlich bleibt die empirischen Bedingungen des Gegenstandsbewußtsein im Begriff des Seins leitend, den Thomas für Gottes Sein gebraucht: er kann nur innerhalb der dann letztlich unkritisch gebrauchten Denkform der Verstandesvernunft Bestimmungsversuche zur Abhaltung (z.B. der Zusammensetzung) unternehmen, die aber zu keiner Einheit gebracht werden können und die geschöpfliche Achtung der Erkenntnisvermögen im Gottes- und Selbstverhältnis für die Vernunftorientierung (in praktischer Verantwortung) beschädigen und verletzen.
3.
Die Aristotelische Beweisführung
Der erste Weg stellt fest, dass es einen Beweger gibt, der nicht selbst bewegt wird (ein unbewegter Beweger, d.h. ein Akt ohne Potenz, eine Wirklichkeit ohne Möglichkeit).
»Alles was bewegt ist, ist von einem anderen bewegt. Durch die Sinne aber ist klar, daß etwas bewegt ist, etwa die Sonne. Also ist es dadurch bewegt, daß ein anderes es bewegt. – Entweder ist nun dieses Bewegende bewegt oder nicht. Wenn es nicht bewegt ist, dann haben wir also bereits unseren Satz, daß es notwendig ist, ein unbewegtes Bewegendes anzunehmen. Dieses aber nennen wir Gott.
Wenn es aber bewegt ist, dann ist es also von einem anderen Bewegenden bewegt. Entweder muß man also ins Unendliche fortschreiten oder zu einem unbewegten Bewegenden kommen. Man kann aber nicht ins Unendliche fortschreiten. Also muß man ein erstes unbewegtes Bewegendes annehmen.«
Das „man kann nicht“ wird zum entscheidenden Kriterium in diesem Argument: das Können im Erschließen von Gründen als Vernunftvermögen muß als Vermögen ermöglicht sein: sein Maß als Vermögen wird zum Zweck, dem durch den Abschluss zur Annahme eines unbewegt Bewegenden entsprochen wird.
Gedacht wird aber nur in Beweggründen und durch deren Erscheinungsbezug jenseits des Erfahrung sammelnden Verstandes gerät die Abschlussetzung antinomisch: im Verhalten zu Erscheinungen kann das Maß des Vermögens der Begründung nicht geltend gemacht und nicht von ihm her angenommen werden: Gott als Erstursache ist nicht das ursprünglich Gründende, das als Vernunftvermögen ermöglicht, ihnen das Maß zur Selbstgemäßheit gibt.
4.
Thomas sieht aber selbst auch, dass die Zuschreibung des Seins Gottes als Erste Ursache im Weltverhältnis nicht zureicht.
"Gott ist ein Beweger (im Sinne einer causa effiziens), sofern er die umfassende Ursache des Seins ist." - Deus autem est agens sicut causa universalis essendi..
Sein ist umfassender als Bewegtsein. Also ist es notwendig, daß es über der Ursache, die nur durch Bewegen und Verändern wirkt, diejenige Ursache gibt, die der Erste Grund des Seins sei. [K 16 n 3]
Wird dann einmal erkennbar, dass eine Ursache nicht Ursprung ist, und das Wassein der erfahrbaren Dinge nicht durch eine wirkende Ursache hervorgebracht gedacht werden kann, - im Unterschied zur Bewegung, stellt sich die Frage nach dem Sein des Wesens in unabtrennbarer Verbindung mit der dem Dank seiner Ermöglichung verpflichteten Theologie von Schöpfung und der ihr zugehörenden Bundesstiftung. Ursprung ist als Gründung nicht Verursachung, sondern hat in Ermöglichung durch die Maßgabe Teil an Gesetzgebung.
Das ist in der Strukturierung der Themenfolge in der Systematik der Darstellung der theologischen Erkenntnisse zu berücksichtigen.